Braunfels

Die heilige Johanna gewann ihre Stimme wieder

Salzburger Festspiele. Unter Manfred Honecks Leitung bewies Juliane Banse, daß Walter Braunfels eine bewegende Oper über das Leben der Jungfrau von Orleans komponiert hat, die Jahrzehnte vergessen war.

Zu den vornehmsten Aufgaben der Festspiele zählt die Präsentation von Raritäten, mit denen die Wiederbegegnung lohnend sein kann. Die Musik von Walter Braunfels, von dem vor einigen Jahren die Aristophanes-Vertonung ,,Die Vögel" an der Volksoper auf dem Programm stand, gehört jedenfalls dazu. Der Komponist (1882- 1954) ist von den Zeitläuften zur Unterschätzung verdammt worden: Den Nationalsozialisten galt er, seiner tief katholischen Weltanschauung zum Trotz, als ,,Halbjude". Den Kultur-Vordenkern nach 1945 schlicht und einfach als rückschrittlich.

Weiter als Richard Strauss – oder, was klangliche Assoziationen eher nahelegen, Hans Pfitzner – wagt sich Braunfels harmonisch tatsächlich nicht vor, die Tonalität bleibt sichernde Grundlage. Anders als in Frankreich galt in Deutschland auch die Themenwahl als suspekt: Das Leben der heiligen Johanna als Musikdrama? Noch dazu, wo die Musik von religiöser Inbrunst kündet – dergleichen akzeptierte die Welt von einem Arthur Honegger widerspruchslos. Braunfels' selbst nach den Prozessakten von Rouen gedichtete ,,Jeanne d'Arc" verschwand in den Archiven.

Manfred Honeck hat sich der Partitur angenommen, sie mit dem durchschlagskräftigen Salzburger Bachchor und dem RSO Wien einstudiert und in der Felsenreitschule zur beeindruckenden konzertanten Aufführung gebracht.

Juliane Banse war die Titelheldin – mit samtweichem Sopran nimmt sie den Dialog mit den himmlischen Stimmen auf, treibt ihn dann im Hexenprozess an die Grenzen des Schreis. Die Musik fordert zur höchsten Expression: Vor allem im zweiten Teil, wenn die Ankläger sich ereifern und das Volk zuletzt im Angesicht des Scheiterhaufens und der entschwebenden Taube von der Heiligkeit der Jungfrau singt, verdichten sich die Klänge intensiv.

Braunfels findet zu ekstatischen Steigerungen und schenkt auch dem siegreichen König – Pavol Breslik – und dem bewegten Beobachter Gilles de Rais (Johan Reuter) verzehrend schöne melodische Linien. Das sorgt auch nach einem langen, gegen 23.15 endenden Abend für Jubel.