Die Pandemie und die Folgen

Zwischentöne Was alles gewesen wäre, wenn nicht alles . . .

Wer sich auf "Cosi fan tutte" unter Muti gefreut hat, kann auf einen Livemitschnitt von den Salzburger Festspielen zurückgreifen - und grübeln.

Im viralen Verwirrspiel sind wir ins entscheidende Stadium eingetreten. In der klassischen Form muss sich ja auf dem Höhepunkt der Durchführung herauskristallisieren, ob die Reprise zu einem fröhlichen, einem lieto fine führen, oder ob sie tragischen Zuschnitts sein wird.

Ringsum gehen plötzlich die Grenzen auf, die Politik rechnet uns vor, wie viele Dutzend Menschen ab welchem Zeitpunkt einer Kulturveranstaltung beiwohnen dürfen; und die Festspielveranstalter ziehen ihre Schlüsse daraus. Bregenz sagt ab, Salzburg will spielen. Wie das zusammenpasst, wird sich zeigen.

Inzwischen blättert der Musikfreund in Katalogen, die ihm die fernere Opern- und Konzertzukunft weissagen. Und er schaut vielleicht auch nach, was er diese Woche versäumt, weil die Saisonpläne 2019/20 ja über den Haufen geworfen wurden.

Diese Lektüre ist übrigens lehrreich. Vor allem korrigiert sie das perfide Bild, das Boulevardmedien zuletzt von der jüngeren Vergangenheit des Wiener Musiklebens gezeichnet haben. Da wurde der Eindruck erweckt, man müsse dem Opernleben der Stadt zwecks Qualitätssicherung endlich die nötige Energie zuführen.

Die Liste der virusbedingten Absagen lehrt hingegen, dass an der Wiener Staatsoper zuletzt in einer Woche mehr spannende Besetzungen angesagt waren als anderswo in einem oder gar mehreren Monaten.

Was wird uns dieser Tage vorenthalten? Ein "Don Giovanni" mit Carlos Alvarez, Erwin Schrott, Dmitry Korchak und Irina Lungu. Eine "Arabella" mit Camilla Nylund, Christiane Karg, Michael Schade und Tomasz Konieczny. "Freischütz" mit Nylund, Konieczny und Andreas Schager.

Das alles, wohlgemerkt, innerhalb einer Woche. Sie hätte mit der Premiere von Mozarts "Cosi fan tutte" geendet. Diese wiederum hätte das Comeback von Riccardo Muti markiert und ein junges Sängerteam mit Marianne Crebassa, Julie Fuchs und anderen ins Haus am Ring gebracht.

Mehr muss man dazu nicht sagen, darf aber fernere Assoziationen bemühen: "Cosi" galt ja lang als Schmerzenskind und wurde von Gustav Mahler und Richard Strauss quasi gegen den Beschluss der Musikgeschichtsschreibung als dritte im Bunde der unverzichtbaren Da-Ponte-Opern durchgeboxt - pardon: -dirigiert.

Karl Böhm war dann der Sachwalter und Riccardo Muti hat ihn mit einem allseits unerwarteten Sensationserfolg in Salzburg 1982 beerbt. Er galt seither als Mozart-Kapazität, unanfechtbar jenseits der Originalklangmode - und war sogar etwas wie der Festspielkronprinz an der Seite von Kaiser Herbert.

Es kam anders. Was für manche aussehen mag wie ein lieto fine, ist oft überschattet - wie in "Cosi fan tutte".