Edith Peinemann -- die Studioaufnahmen (1952 bis 1965)

Sie ist eine Legende unter den deutschen Klassik-Interpreten: Edith Peinemann, das Geigerwunder der deutschen Nachkriegsgeneration. Der bewunderte Isaac Stern zeigt der jungen Dame zwar – aus bekannten Gründen, er wollte nach 1933 nie wieder etwas mit Deutschland zu tun haben – die kalte Schulter. Aber Größen wie Yehudi Menuhin oder David Oistrach zeigten sich begeistert, der emigrierte Geigenlehrer-Papst Max Rostal nahm sich ihrer an. Und George Szell war so begeistert, dass er Peinemann sogar zu einer Guarneri del Gesù verhalf, auf der die Künstlerin dann ab 1964 musizierte.

Die Aufnahmen, die nun aus dem SWR-Archiv geborgen und sorgfältig restauriert wurden, gehen freilich weiter zurück und lassen die junge Interpretin zum Teil noch als Teenagerin hören, bevor sie 1954 als Siebzehnjährige den Kulturpreis der Deutschen Industrie gewann, woraufhin die Welt auf sie aufmerksam wurde.

Die fünf CDs sammeln Kammermusik- und Orchestereinspielungen, die zwischen 1952 und 1965 entstanden, enden also ein Jahr vor der Aufnahme des Dvorak-Violinkonzerts mit der Tschechischen Philharmonie unter Peter Maag, die auf Deutsche Grammophon erschien und unter Kennern bis heute Kultstatus genießt.

Das Dvorak-Konzert war so etwas wie die Visitenkarte der Peinemann. Sie hat es bei vielen Gelegenheiten aufgeführt und 1958, also fast ein Jahrzehnt vor der berühmten Studio-Produktion mit dem Stuttgarter Rundfunkorchester unter Hans Müller-Kray aufgenommen; etwas entspannter musiziert als unter dem doch eher strengen Peter Maag. Dafür markiert die Aufnahme von Hans Pfitzners Konzert unter Hans Rosbaud. Der Dirigent, avantgardegestählt, legt dem romantischen Feuergeist Pfitzner hier in seiner allerletzten Aufnahme vor seinem Tod am 29. Dezember 1962 die Zügel an, was dem fantastisch-ausschweifenden Stück gut tut. Dazu der klare, immer bombensicher intonierende Ton Peinemanns, die freilich auch weiche, erzählmächtige melodische Bögen zu spannen weiß – und wir hören de Ehrenrettung eines sträflich unterschätzten, originellen Beitrags zum Thema Violinkonzert aus dem 20. Jahrhundert.

Von frühesten, blühend schön musizierten Aufnahmen barocker Violinkammermusik (von Vitali und Händel bis Bach) spannt sich auf dieser Edition ein Bogen über Sonaten von Mozart und Beethoven bis zu Werken von Schumann, Franck, Ravel und Josef Suk. Ebenso breit ist der Horizont bei den Orchesteraufnahmen, wo nebst den erwähnten Stücken und dem Sibelius-Konzert vor allem das ebenfalls mit Rosbaud erarbeitete große Bartók-Konzert (heute als Nr. 2 gelistet) zu den Trouvaillen der Aufnahmegeschichte gezählt werden darf: Die Mixtur aus Transparenz und Expressivität, die diese Musik braucht, scheint hier perfekt ausbalanciert. Es gibt nicht viele ebenbürtige Vergleichseinspielungen – und vor allem gab es von Edith Peinemann bis dato kaum genügend CDs zu kaufen. Umso erfreulicher dieser Neuzugang im Katalog (SWR Classic 19074)