Fazit

Zwischentöne Kundige Musikfreunde sind Dominique Meyer dankbar

Dem scheidenden Wiener Opernchef gegenüber hat sich das sogenannte Kulturland wieder einmal "von seiner besten Seite" gezeigt.

Kein Vertreter der aktiven Kulturpolitik beim Abschied von Dominique Meyer. Bezeichnend für dieses Land auch das unsägliche Gekläffe von Leuten, "die es wissen müssen". - Selten noch hat sich die Meinung des Publikums, das dem scheidenden Opernchef minutenlange Standing Ovations bereitet hat, so weit von Kommentaren einiger Wortführer, die sozusagen "vom Fach" sind - oder sein sollten -, geschieden.

Einer erklecklichen Zahl von Rezensenten, die vermutlich nicht einmal Noten lesen können, haben ebenso "wissende" Intendanten längst erklärt: Nur die Regie könne Musiktheater heute "relevant" erscheinen lassen. Das stimmt insofern, als bei szenischen Verdrehungen aller Art tatsächlich alle mitreden können. Schon dass er sich von diesem Zeit(un)geist nicht hat abhalten lassen, einen grundlegend "musikalischen" Kurs zu steuern, sichert dem scheidenden Opernchef einen Spitzenplatz in der Rangliste der erfolgreichen Wiener Intendanten. Dass seine Einnahmen weit "über Budget" lagen, hat der Rechnungshof bestätigt. Dass das mit einem riskanten Spielplan gelang, ist bewundernswert: Wenn "Orlando" und "Die Weiden" die Bilanz nicht drücken, kündet das vom Vertrauen des Publikums.

Dieses Vertrauen ist aber nicht anders als mit künstlerischer Qualität zu gewinnen. Wegen guter Auslastungszahlen kommt ja niemand ins Haus. Schon gar nicht 30 Prozent Gäste aus dem Ausland. Deren Anwesenheit bekritteln kurioserweise dieselben Nörgler, die von mangelnder "Relevanz" reden. Dabei wäre es ja auch eine Kunst, mit irrelevanten Angeboten 200.000 Menschen pro Jahr zu einem Wien-Aufenthalt zu verführen . . .

Apropos Finanzen: Schon Meyers Vorgänger galt ja als Spar- und Rechenmeister. Er verdankte sein Amt nicht zuletzt dem finanziellen Desaster, das Claus Helmut Drese - gewiss in allerbester Absicht - an der Seite Claudio Abbados zu verantworten hatte.

Erinnern wir uns noch an Eberhard Waechters Rettungsidee, wieder an den Wiener Ensemblegedanken anzuknüpfen? Die Früchte konnte der früh verstorbene Publikumsliebling auf dem Direktorensessel nicht ernten. Aber sein Compagnon Ioan Holender wurde, indem er Waechters Konzept teilweise weiterführte, zum längstdienenden Staatsoperndirektor.

Dominique Meyer gelang es in der Folge, die Schlagkraft des Ensembles auf ein zuvor jahrzehntelang nicht mehr geahntes Niveau zu heben. Zuletzt hatte die Wiener Staatsoper anzubieten, was kein anderes Haus mehr kann: ein immenses Repertoire vom Barock bis zur zeitgenössischen Oper, regelmäßige Gastspiele aller bedeutenden Stars; aber auch eine Sängerriege, fix ans Haus gebunden, die mit diesen Stars auf Augenhöhe kommunizieren konnte.

Und nach Jahrzehnten wieder: Mozart-Opern ohne Gäste, aber auf höchstem Niveau! Dass das möglich sein könnte, wollte einst Eberhard Waechter niemand glauben. Dominique Meyer hat es realisiert. Das ist für die Wiener (und die ausländischen) Musikfreunde relevant!

Die Beweise des Gelingens liegen im Archiv des - apropos "Oper 4.0" - hauseigenen Streamingdienstes. Längst verstummt die müßigen Diskussionen, ob man zu alledem einen Musikdirektor am Hause braucht oder nicht. Es kann nichts schaden, wenn man einen guten hat. Es genügt aber auch ein Intendant, der über ein profundes Musikwissen verfügt und Stimmen liebt. Als solcher hat Dominique Meyer zehn Jahre lang das Haus geprägt, als solchen werden wir ihn dankbar in Erinnerung behalten.