Günther Groissböck, solo

Der kühne, herrliche Bass

Staatsoper. Das erste Konzert nach dem Shutdown war auch ein Werbefeldzug für die kommende Saison: Günther Groissböck sang neben Schubert und Loewe auch Wagner.

Günther Groissböck geht aufs Ganze. Nicht nur, weil er sein Opernrepertoire in den kommenden Spielzeiten um bedeutende Partien erweitert, sondern weil er auch im Liedgesang gleich das Schwerste wagt - und gewinnt. Schubert dominierte seinen Liederabend vor dem vorschriftsgemäß schütter besetzten Auditorium der Staatsoper (und erfreulicherweise vor dem alten, nicht politisch korrekt übermalten Eisernen Vorhang von Eisenmenger, dessen harmonische Einbindung in Erich Boltensterns Architektur man auf diese Weise einmal wieder bewundern durfte . . .)

Es waren ja immer wieder die tiefen Stimmen, die zu erfülltem Schubert-Gesang bedeutende Beiträge liefern konnten. Der historischen Wahrheit zum Trotz, dass die meisten Schubertlieder von Tenören uraufgeführt wurden: Die profunde Wirkung einer Bass-Stimme macht vielfach enormen Effekt. Das Aufbegehren von Goethes "Prometheus" gegen die Götter ist, von Groissböck gesungen, eine Anklage, die eminent gefährliches revolutionäres Potential verrät - und es wahrlich nicht notwendig hätte, dass zwischendurch (außer Programm) Regisseur Uwe Eric Laufenberg Aufmüpfiges von Bert Brecht zum Besten gibt.

Vater Zeus gegen Bertolt Brecht

Zumal dann nicht, wenn sich dann die Himmelfahrt des "Ganymed", die Papa Zeus, bezaubert von der Schönheit des Knaben, ganz ohne fremde Mithilfe bewirkt, mit der Sorge um die Arbeiter schlägt, die am Bau der chinesischen Mauer beteiligt waren.

War das eine wenig subtile Rache dafür, dass der künftige Wiener Opernchef Laufenbergs "Elektra"-Inszenierung wieder durch Harry Kupfers Vorproduktion ersetzt?

Zum tieferen Verständnis des Liederabends hat der literarische Aufputz reichlich wenig beigetragen. Umso schöner, dass Groissböck nicht nur den lesenden Intendanten, sondern auch einige Lieder des in der jüngeren Vergangenheit sträflich vernachlässigten Carl Loewe mitgebracht hat.

Kleinodien wie "Die Uhr" gehörten früher einmal zu den beliebtesten Stücken der deutschen Romantik - und sind, wie man diesmal wieder hören konnte, auch alles andere als verstaubt tönendes Biedermeier.

Den rechten Ton fanden Groissböck und seine Begleiterin Alexandra Goloubitskaia zuletzt auch für den "Tamboursg'sell" Gustav Mahlers, während sich die mächtige Bass-Stimme für die naive Glaubensinnigkeit des "Urlichts" dann kaum zügeln ließ. Da drohte schon Gott Wotan im Hintergrund, denn Groissböck wollte sich mit dem "Walküren"-Finale verabschieden, sollte er doch heuer in Bayreuth als germanischer Göttervater debütieren. Er wird nun an der Staatsoper im kommenden April seinen ersten "Walküren"-Wotan singen.

Da lag es nahe, das "kühne, herrliche Kind" vorab schon einmal zu Klavierbegleitung zu besingen - und zu studieren, wie sich das nach einem langen, anstrengenden Abend anfühlt. "Stimm' hab' ich ja nicht mehr viel", meinte der Sänger nach abgebranntem Feuerzauber - um dann doch noch "Die beiden Grenadiere" sterben zu lassen: Da klang sie dann, die Marseillaise - in gar nicht revolutionärem Zusammenhang. Heine war ja doch der bessere Brecht - und Schumann hat sie alle durchschaut, die Großspurigen wie die armen Hunde . . .