Haydn-Zyklus

Der unerschöpfliche Haydn

Musikverein. Giovanni Antoninis auf viele Jahre angelegter Zyklus sämtlicher Symphonien bietet von Station zu Station Überraschungen.

13. Februar 2020

Eine der originelleren Ideen zur Tempobeschleunigung des europäischen Klassikkarussells war Giovanni Antoninis Projekt, sämtliche Symphonien von Joseph Haydn aufführen zu wollen. Dergleichen kann nicht wie bei Beethoven oder gar Brahms innerhalb einer Jubiläumsspielzeit funktionieren. Angesichts der Herausforderung von mehr als 100 Werken hat der Maestro entschieden, die Sache auf Jahrzehnte anzulegen und im Haydn-Jahr 2032 damit fertig zu werden.

Wir halten also mittendrin und erleben, so viel darf jetzt schon zwischenbilanziert werden, von Station zu Station unsere Überraschungen. Denn so oft konnte das Genie sich der von ihm erst so recht auf den Weg gebrachten viersätzigen Form gar nicht nähern, als dass er sich einmal hätte wiederholen müssen. Haydns Geist war sprühend genug, um von Mal zu Mal neue Geschichten zu erzählen.

Das schätzt das Publikum im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins, wie zu hören ist, besonders. Es feiert Antonini und das Basler Kammerorchester, neben dem eigenen, Giardino Armonico, Antoninis bevorzugtes Ensemble, bei jedem Erscheinen.

Ganz gleich ob frühes Probestück, aufgewühltes Sturm-und-Drang-Drama oder reifes, oft verschmitzt-hintergründiges, oft empfindsam introvertiertes Charakterstück, Antoninis Mitstreiter finden den rechten Ton; und versehen ihn jedenfalls niemals mit einem Vibrato. So viel Originalklang-Grundlage muss sein, auch wenn sie jede kleinste Unsauberkeit im Zusammenspiel der Geigen drastisch hörbar werden lässt und etwa das Flötensolo im langsamen Satz der Sinfonia Numero 24, der fast ein Konzertsatz ist, reichlich pfeifend klingen lässt. In der kurzen Kadenz blüht der Klang sogleich erfreulich auf . . .

Freilich: Die Kammerorchester-Stärke erweist sich für die akustischen Bedingungen des Brahms-Saals als ideal. Die Zuhörerschaft sitzt mitten im Geschehen und hat von den großen dynamischen und emotionellen Steigerungen der Musik einen Eindruck, wie ihn vermutlich weiland Fürst Esterhazy nicht eindringlicher haben konnte. Auch leise Pointen sitzen hier effektsicher.