Komponist zu entdecken: Hommage an Józef Koffler

In der Avantgarde der Nachkriegsgeschichte haben die Polen dank Krzysztof Penderecki und Witold Lutosławski eine herausragende Stellung eingenommen. Dieser Satz könnte auch für die Zeit vor 1945 gelten-doch apern die Beweise dafür erst langsam aus dem vernebelten Archiv der Zeitgeschichte aus. Die diktatorischen Regime haben in diesem Land mit besonderer Brutalität gehaust. Ein erschütterndes Beispiel dafür liefert eine CD, die jüngst von Deutschlandradio Kultur bei EDA herausgebracht wurde und die Musik des Komponisten Józef Koffler enthält. Interessierten Musikfreunden war der Name ein Begriff, weil Roman Haubenstock-Ramati einst von Koffler als seinem verehrten Lehrer erzählte, ohne dass auch nur ein Werk dieses Mannes auf Schallplatten greifbar war.
Nun kann man ein Klavierkonzert, die "Zweite Symphonie", einige Lieder und ein Streichquartett namens "Ukrainische Skizzen" hören - und entdeckt einen der originellsten Komponisten der Zwischenkriegszeit, der auf eigentümliche Weise zwischen der frechen Musiziergeste des jungen Paul Hindemith und dem strengen Konstruktivismus der Wiener Schönberg-Schule zu vermitteln wusste. Koffler studierte in Wien Jus und Musikwissenschaft. In seiner Dissertation befasste er sich mit der "orchestralen Koloristik in den symphonischen Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy", und das hört man: Es gibt nicht viel Musik aus dieser Epoche, die von einem dermaßen raffinierten und farbenreichen Klangsinn getragen ist. Man höre nur, wie sich der Mittelsatz des Klavierkonzerts atmosphärisch von den energetisch- tänzerischen Ecksätzen abhebt; da kommt auch ein schönes Stück Impressionismus ins polystilistische Spiel. Und doch bestechen die Stücke durch Kofflers formenden Handwerkergeist, da gibt es keine Leerläufe und auch keine Sackgassen. Die Werke gehorchen spürbar einem klar geordneten Plan. Wer den exzellenten Begleittext liest, der von ersten Erfolgen bis zum tragischen Tod des Komponisten 1944 führt, erfährt, wie dieser genial begabte Mann unter die Räder sämtlicher "Systeme" und Kunstdogmatiken kam. Berührend, wie im späten Streichquartett ukrainische Volksmusik gekonnt zu anspruchsvollen Quartettsätzen verarbeitet wird: Die Verdikte der sowjetischen Kunst-Kamarilla fordern ihren Tribut-und doch verleugnet sich Koffler nicht. Die CD ist dank der engagierten Interpreten gelungen, voran Christoph Slowinski, der nicht nur dirigiert, sondern auch die Mezzosopranistin Fredrika Brillembourg bei deutschen und französischen Liedern begleitet.