Kulturpolitik

Alexander Pereira geht nach Mailand, die Festspiele suchen neuen Intendanten

Salzburger Festspiele. Dienstag gab der Aufsichtsrat des Teatro alla Scala bekannt, daß der amtierende Festspielchef ab 2015 in Mailand residieren wird. Salzburg steht unter Zugzwang.

Alexander Pereira wird Intendant der Mailänder Scala. Daß seit Wochen darüber intensiv verhandelt wurde, hat die Gerüchteküche längst ausgeplaudert. Pereira selbst hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß ihn der Posten interessieren würde. Seit der amtierende Scala- Chef, Wiens langjähriger Festwochen-Musikchef Stéphane Lissner, bekannt gegeben hat, übernächste Spielzeit die Opernhäuser der Stadt Paris zu übernehmen, wurde Pereiras Name immer wieder ins Spiel gebracht.

Am Dienstagnachmittag hat der Aufsichtsrat der Mailänder Scala unter dem Vorsitz von Bürgermeister Giuliano Pisapia nun entschieden. Einstimmig votierte das Gremium für Pereira, der damit nach seinen Funktionen in Wien (Konzerthaus), Zürich (Opernhaus) und Salzburg (Festspiele) eines der führenden Opernhäuser der Welt übernimmt.

Die Mailänder Entscheidung bedeutet eine recht kalte Dusche für Salzburg, wo man dem amtierenden Festspiel- Intendanten die Entscheidung leicht gemacht hat, mit der italienischen Kulturpolitik V erhandlungen aufzunehmen. Die fortwährenden Budgetstreitigkeiten mündeten Anfang März 2013 in die definitive Aussage des Salzburger Bürgermeisters, den Vertrag Pereiras keinesfalls verlängern zu wollen. Auch danach flammten bei jeder Gelegenheit Wortgefechte auf. Man sprach von erwarteten Eklats bei Kuratoriumssitzungen des Festivals und einigte sich offenbar jedesmal in letzter Minute auf eine gemeinsame Sprachregelung. Doch kritisierte auch die abgewählte Landeshauptfrau, Gabi Burgstaller, den Umgangston im Festpielhaus und kommentierte die Fehde zwischen Bürgermeister Schaden und Pereira mit den Worten: ,,Wir haben Pereira geholt, damit er ein gutes Programm macht, und nicht, daß er reihum alle möglichen Leute beleidigt." Angesichts der Zerwürfnisse mit Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler hat der Intendant wiederholt gedroht, seinen Posten vorzeitig zur Verfügung zu stellen.

Mailand und Salzburg? Unvereinbar!

Was nun geschehen wird, nachdem offiziell bestätigt wurde, daß Pereira seine Tätigkeit für die Scala 2015 aufnehmen werde, scheint offen. Zuletzt hieß es aus Salzburg, es sei mit den Agenden bei den Festspielen ,,unvereinbar", ein weiteres Amt parallel zu bekleiden. Die Planungen in Salzburg laufen aber selbstverständlich bereits bis in den Sommer 2016, in dem unter anderem eine Neuproduktion von Verdis ,,Otello" in der Nachfolge des diesjährigen ,,Don Carlos" mit Jonas Kaufmann unter der Leitung des Londoner Covent-Garden- Musikchefs Antonio Pappano avisiert ist.

In Salzburg geht man davon aus, daß Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf in den Startlöchern steht, um eventuell sofort auf Pereiras Sessel zu wechseln. Daß er an der Vorausplanung in Sachen Musik viel ändern würde, sei, so Kenner der Szene, nicht zu erwarten. Eher wäre denkbar, daß der von vielen örtlichen Entscheidungsträgern favorisierte Interimsintendant von 2011, Markus Hinterhäuser, als wohlbestallter Festspielchef zurückkehrt. Er müsste dazu allerdings um Dispensierung von seinen Aufgaben bei den Wiener Festwochen ansuchen, wo seine ,,Ära" noch gar nicht begonnen hat.

Jedenfalls gilt als sicher, daß mit der heiklen Situation die Rufe nach einer weiteren Vertragsverlängerung für die Präsidentin der Festspiele lauter werden.

Helga Rabl-Stadler wirkt wie ein Fels in der Brandung. Sie hat mittlerweile bereits vier Intendanten ,,überlebt" – und da die übrigen Verantwortlichen in den Festspielgremien nach den jüngsten Wahlen notwendigerweise ausgewechselt werden, wird an der Wiederwahl der Präsidentin nicht zu rütteln sein – nur wer sich mit ihr versteht, hat Chancen, Pereiras Erbe anzutreten, lautet das Salzburger Axiom.

KOMMENTAR

Raus mit der Politik aus der Kultur!

Salzburg wird nie einen guten Festspielintendanten finden, solange der sich mit Kuratoren herumschlagen muss.

Ein unwürdiges Spiel. Der Festspiel intendant hat – nach fortwährenden, unerquicklichen Auseinandersetzungen um das Budget – die Konsequenzen gezogen und mit einem der berühmtesten Opernhäuser der Welt verhandelt. Die Saat ist aufgegangen: Alexander Pereira wird Chef der Mailänder Scala. Immerhin hat ja einer der verantwortlichen Salzburger Politiker, Bürgermeister Schaden, längst offiziell verlautbart, eine Verlängerung von Pereiras Vertrag komme nicht infrage. Jetzt wird heftig Halali geblasen – Pereira müsse sofort gehen. Festspiele könne man nicht nebenher führen.

Das klingt aus dem Mund der Salzburger Honoratioren unglaubwürdig, denn Pereiras Vorgänger Jürgen Flimm gestand man zu, die Salzburger und die Ruhr-Festspiele gleichzeitig zu führen. Man mag also Pereira persönlich nicht. Darauf darf man es reduzieren. Und Pereira mochte die Salzburger Gremien nicht – das hat er nicht weniger ungalant zu verstehen gegeben, indem er jedesmal mit Rücktritt drohte, wenn irgend etwas nicht nach seinen Vorstellungen zu gehen drohte.

Man ist sich an der Salzach nichts schuldig geblieben – und hat damit nur eines demonstriert: Die Festspielverwaltung muss so rasch wie möglich reformiert, modernisiert werden. Wie sie derzeit im Gesetz festgeschrieben ist, entspricht sie den vorsintflutlich- monarchischen Kriterien der Karajan-Ära: Der Potentat entscheidet, ein Kuratorium segnet Entscheidungen pro forma ab.

Heute reden die Kuratoren mit. Wel cher Manager will sich mit Gremien herumschlagen, in denen Politiker und Vertreter der Fremdenverkehrswerbung sitzen? Welchen Stellenwert die Kultur dabei spielt, kann sich der gelernte Österreicher ja ausrechnen. Schluss damit. Sonst wird sich nie ein exzellenter Intendant finden. In der aktuellen Malaise muss man froh sein, wenn einer, der im Umgang mit Salzburger Kuratorien bereits geübt ist – Sven-Eric Bechtolf oder Markus Hinterhäuser? – bereit sein sollte, in die Bresche zu springen. Eine fruchtbare Zukunftsperspektive stellt das nicht dar.