Kunst und Pandemie

Neujahrskonzert vor leerem Saal?

Philharmonische Sorgen. Der Orchestervorstand von Wiens Meisterorchester blickt besorgt in die nähere Zukunft. Er möchte Salzburger Erfahrungen auch in Wien nutzen.

Die neue Normalität im Kulturbereich? Die Philharmoniker machen sich Sorgen. Sie haben zwar als wichtigstes Orchester der Salzburger Festspiele den Bann gebrochen und bewiesen, dass man in Coronazeiten im Festspielbezirk auch "Elektra" von Richard Strauss spielen kann - es gibt kaum eine Oper, die nach einer größeren Orchesterbesetzung verlangt.

Und doch: Vom gewohnten Konzertbetrieb sind wir so weit entfernt wie von voll besetzten Opernhäusern. Die neue Staatsopern-Direktion verkauft nur einen Teil der Eintrittskarten, hat aber sogar für die Stehplätze eine Lösung gefunden: Sie werden zu billigen, nummerierten Sitzplätzen.

Die Philharmoniker in ihrer Eigenschaft als Orchester der Staatsoper werden also beinah die gewohnte Situation vorfinden. Zu Beginn der neuen Ära gibt es sogar eine Premiere, Puccinis "Madame Butterfly" mit Staatsopern-Debütantin Asmik Grigorian und dem neuen Musikdirektor Philippe Jordan am Pult. Aber Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer ist dennoch vorsichtig, wenn es um Prognosen geht. Das Konzert im Schlosspark von Schönbrunn, das im Juni abgesagt werden musste, holt man jetzt am 18. September nach; vor geladenem Publikum, vor allem als TV-Spektakel. Und auch das Neujahrskonzert könnte zum reinen Medien-Ereignis werden: Noch weiß keiner, was Ende des Jahres möglich sein wird.

Bis jetzt alle Tests negativ

Froschauer über die Zeit des Shutdowns, in der das Orchester 31 Konzerte absagen musste: "Wir haben nie eine Zeit gehabt in 179 Jahren Geschichte unseres Orchesters, in der die Philharmoniker dreieinhalb Monate nicht miteinander gespielt haben."

Die Salzburger Sicherheitsmaßnahmen werde man in Wien jedenfalls modifiziert beibehalten: "Bevor ein Konzertblock anfängt, testen wir am Tag davor. Das sind stressvolle Stunden, bis der Test zurückkommt, aber bis jetzt waren alle immer negativ. Einmal war ein Test nicht eindeutig, und der Betreffende durfte sofort die Probe nicht spielen. Da hat man schon gesehen: Das ist alles nicht zum Spaß."

Auch die sozialen Kontakte mussten die Musiker drastisch reduzieren. Sie hoffen nun, "dass wir auch an der Staatsoper wöchentlich Tests haben und genauso auf alles geachtet wird." Die Zusammenarbeit mit der neuen Direktion funktioniere im Übrigen zufriedenstellend. Zwar musste die für Herbst geplante Asien-Tournee abgesagt werden, aber was die hoffentlich wieder anlaufende Reisetätigkeit der Philharmoniker betrifft, hofft der Vorstand, dass mögliche "Knackpunkte" bei Verhandlungen nicht zu Stolpersteinen werden. Der neue Opernchef Bogdan Roscic sei ja "lösungsorientiert".

Der neue Musikdirektor und scheidende Symphoniker-Chefdirigent Philippe Jordan "war jetzt lang nicht bei uns", sagt Froschauer, "aber wir sind da offen. Jordan bringt viel Erfahrung von der Pariser Oper mit. Wir Philharmoniker arbeiten gern, um uns zu verbessern. Wenn jemand sich konstruktiv einbringt, sehen wir das positiv." Im Konzertbetrieb sei das Orchester ohnehin daran gewöhnt, keinen Chefdirigenten zu haben und sich seine Dirigenten auszusuchen.