Mariss Jansons

Vom Erfolg mit einem Heimkehrer

Philharmoniker. Die Voraufführung des kommenden Abonnementkonzertes im Musikverein wurde zu einer Lehrstunde über die Frage, warum wir das Wichtigste unseres klassischen Erbes so konsequent verdrängen.

Ein Riesenerfolg, versteht sich – Mariss Jansons ist einer der Fixstarter im Bewerb um den absoluten Wiener Publikumsliebling. Umso schöner, wenn er sich ein Programm für sein philharmonisches Konzert aussucht, das unumwunden als wichtig bezeichnet werden darf.

Es ist mittlerweile wichtig, daß ein Dirigent sich um die Einbindung von Symphonien Joseph Haydns in die Abonnementprogramme bemüht. Es war nie leicht, dem Vater der Wiener Klassik den ihm gemäßen Stellenwert im Repertoire zu sichern. Ich erinnere mich noch gut, daß es den Philharmonikern im Haydn-Jahr 1983 nicht gelungen ist, einen ihrer ständigen Dirigenten dazu zu bewegen, ein ausschließlich diesem Komponisten gewidmetes Programm zu leiten!

Seither sind die früher doch des öfteren zu verzeichnenden Aufführungen einzelner Haydn-Symphonien noch zurückgegangen. Deshalb ist es bemerkenswert, wenn ein Maestro von Jansons' Format, dem Orchester und Publikum gleichermaßen ergeben sind, gleich zwei Werke von Haydn ansetzt und sie mit zwei Spitzenwerken von Meistern kombiniert, die zu ihrer Zeit ebenfalls der ungarischen Reichshälfte Kakaniens zuzurechnen gewesen sind. Wunderbar, daß Jansons gleich in der Einleitung zur ,,Paukenschlag-Symphonie" jegliche Stildiskussion vom Tisch fegt: Da wird weich und mit großem Legato phrasiert, ein romantisch- großer Ton gepflegt, wie er philharmonischer Brauch war, als während der Probenarbeit noch nicht über Darmsaiten und Nonvibrato statt über Witz und Herz diskutiert wurde. Bei Jansons kommt es stets darauf an, daß Musiker – und hernach auch die Hörer – Spaß an den musikalischen Pointen, am bodenständigen Humor und, durch diesen vermittelt, am sprühenden Musiziergeist Haydns haben.

Laszive Sekunden und Septimen

Dann nimmt man es auch wie ein geradezu satirisches Aperçu, daß im Auftakt zur G-Dur-Symphonie Nr. 88 plötzlich scharfkantig artikuliert wird, als wollte man beweisen, daß man auch die derzeit als politisch korrekt geltenden Interpretationsansätze studiert hat. Eitel Freude herrschte im Auditorium auch über die Wiederbegegnung mit Franz Liszts ,,Les Préludes", die durch ihre missbräuchliche Verwendung während des Zweiten Weltkriegs in Misskredit geraten waren und nun glänzend rehabilitiert wurden: Das Werk stellt eine der besten symphonischen Dichtungen dar, ein Musterbeispiel für formal beherrschte, doch pure Romantik, die von der schwelgerischen Gefühlsaufwallung über ausdruckswütigen Expressionismus bis hin zu großem Pathos alle Stimmungswelten der Kunst um die Mitte des 19. Jahrhunderts virtuos konzentriert auf einen symphonischen Punkt bringt.

Das moderne Gegenstück dazu lieferte Béla Bartók mit seiner Ballettmusik zum ,,Wunderbaren Mandarin", wo wilder Großstadtlärm laszive ,,Lockspiele" eines leichten Mädchens umrahmt, die vom philharmonischen Klarinettenduo mit sensationeller Geschmeidigkeit modelliert werden: Jansons bringt das Orchester in diesem Werk dazu, sein Publikum fühlen zu lassen, daß auch grelle Dissonanzen von eigenwilliger Schönheit sein können – es kommt offenbar immer darauf an, wer sie formuliert. Von Jansons nehmen die Wiener auch Sekunden und Septimenballungen staunend-begeistert hin. Daß das auch am Wochenende so sein wird, lässt sich prognostizieren.