Puccini in Wien

Zwischentöne Puccini-Sternstunden zelebrierte Wien oft auch außer Haus

Wenn nach mehr als 60 Jahren im Haus am Ring eine neue "Madame Butterfly" zu sehen ist, darf man wieder einmal zurückblicken.

Madame Butterfly" - heute Abend gibt man Puccinis Oper zum Einstand einer neuen Staatsopern-Direktion im Haus am Ring. Tatsächlich ist das jenes Repertoire-Stück, dessen bisher letzte Neuinszenierung am weitesten zurückliegt in der Geschichte des Hauses. Der Hausherr hieß damals Herbert von Karajan. Am Dirigentenpult stand aber Dimitri Mitropoulos. Und Sena Jurinac sang die Titelpartie.

Sie galt Wiener Musikfreunden lange Zeit als die ideale Interpretin dieser Rolle. Ein Livemitschnitt aus der Wiener Staatsoper, einige Jahre später unter der Leitung von Berislav Klobucar entstanden, dokumentiert den Gesang der Jurinac - und man darf getrost sagen, dass diese Aufnahme (bei Orfeo erschienen) ein Musiktheater-Juwel ist; nicht einfach ein musikalisches Protokoll.

Und dies deshalb, weil es - nehmen wir nur die große Arie im Zentrum des Werks ("Un bel di, vedremo") - auf Tonträgern gewiss makelloser gesungen wurde; aber wie die Jurinac die Rolle mit Leben erfüllt, wie sie vor allem den Mittelteil der Arie, von Puccini als deklamatorische Passage außerhalb der großen melodischen Linie gestellt, zur Charakterisierung der Figur und ihrer Situation nützt, das ist außerordentlich, das hebt dieses Tondokument weit über vergleichbare Mitschnitte. Denn hier wird offenbar, was Musiktheater bedeutet: mit musikalischen Mitteln Schicksale fühlbar zu machen.

Das alles fand statt in den stimmungsvollen Dekorationen eines Weltstars der bildenden Kunst, Tsuguharu Leonard Foujita - die Wiener haben sich an sein "Butterfly"-Ambiente so gewöhnt, dass sie dessen einstigen Glamourfaktor längst nicht mehr zur Kenntnis nahmen.

In der Rückschau fällt übrigens auch auf, dass Herbert von Karajan, der große Puccini-Dirigent, damals einem von ihm - und weiß Gott auch vom Wiener Publikum - hochgeschätzten Dirigentenkollegen das Ius primae noctis überließ, um dann irgendwann einmal zwischendurch auch "Butterfly" selbst zu dirigieren.

So war das einmal.

Karajan brauchte auch nicht viele Proben, als er, nachdem er die Staatsoper längst verlassen hatte, im Musikverein eine Aufnahme des Werks produzierte: Die Philharmoniker blühten gleich wieder auf unter seinen Händen und trugen Mirella Freni und Luciano Pavarotti im ersten Finale zu Höhen des Puccini-Gesangs, wie sie live kaum je zu erleben sind.

Für die Verfilmung durch Jean-Pierre Ponnelle hat man die Tenorszenen dann mit Placido Domingo nochmals aufgenommen; das klang nicht mehr ganz so herrlich, sah aber gut aus. So hat "Madame Butterfly" in Wien jenseits der Staatsoper Interpretationsgeschichte geschrieben.