Rossinimania

Der ,,liebste Schwan" der Wiener stammt aus Pesaro

Schon Beethoven klagte über den ,,Rossini-Rummel", den die Wiener zu seinen Lebzeiten veranstalteten. Seit 1816 ist der Erfolg ungebrochen.

Der ewige Rossini! Die Staatsoper spielt nach langer Zeit wieder einmal ,,La Cenerentola", nachdem vor kurzem eine Serie der Ponnelle-Inszenierung der ,,Italienerin in Algier" zu sehen war, mit Agnes Baltsa, die seinerzeit unter Claudio Abbado die Premiere gesungen hat! Außerdem waren in der laufenden Spielzeit bereits sechs Vorstellungen des ,,Barbiers von Sevilla" zu sehen, sechs weitere folgen noch – in der Produktion Günter Rennerts, die 1965 unter Karl Böhms Leitung ihre erste Aufführung erlebte.

"Rossini, deutsch? Eine Schande", schallte es damals vom Stehplatz, obwohl niemand Geringerer als Fritz Wunderlich den Almaviva sang. Das war ein kleiner Auswuchs des schmerzlichen Abnabelungsprozesses des Hauses und seines Publikums von Herbert von Karajan, der die Staatsoper ein Jahr zuvor verlassen hatte; und unter dessen Führung italienische Opern selbstverständlich auf Italienisch gesungen wurden.

Dabei ist diesbezüglich alles relativ. In Rennerts Dekors wird längst ,,Il barbiere di Siviglia" gespielt. Andererseits kann ein deutsch gesungener ,,Barbier" eine höchst vergnügliche Angelegenheit sein – wie ein deutscher ,,Figaro" oder gar ,,Così fan tutte". Alles das sollte die Volksoper bieten, als Einstiegsdroge und zum fortwährenden Amüsement und der Bildung ihrer Zuschauer.

Sie spielt ja auch Rossini, den ,,Barbier", versteht sich, auf Deutsch. Das ist gut so. Allein im Februar steht Josef-Ernst Köpplingers kluge Inszenierung, die mittlerweile auch schon zwei Dutzend Male zu sehen war, sechsmal auf dem Spielplan!

Nicht genug damit, auch im Theater an der Wien spielt man Rossini. Cecilia Bartoli ist der Star einer Neuinszenierung des ,,Comte Ory", ein knappes Jahrzehnt jünger als die ,,Cenerentola" und der ,,Barbier", und einer der wenigen Versuche Rossinis im – im weitesten Sinn – ,,komischen" Genre nach der ,,Cenerentola", die er selbst wohl dank der feinen Mixtur aus Nahrung für Seele, Hirn und Gemüt als einen Höhepunkt bewertet haben mag. Im ,,Comte Ory" finden wir Rossini bereits in Paris, er leistet einen Beitrag zum Genre der ,,Opera comique", um im Jahr darauf seinen ,,Wilhelm Tell", Musterstück der damals so gut wie neuen Gattung der ,,Grand Opéra", zu schreiben.

Das Werk diente den folgenden Generationen als Modell – als Rezeptur, sagt man vielleicht in diesem Fall besser, denn der Meister selbst zog sich ja dann zwecks Verarbeitung von viel Gänseleber, Lungenbraten und Kaviar in die Küche zurück.

Wenn Beethoven das geahnt hätte: So sehr hatte er sich über den Applaus gegrämt, den der jüngere Italiener erntete. Umso heftiger wurde Beethovens Schmerz, je mehr er von Rossini kannte, denn selbstverständlich blieb ihm nicht verborgen, daß der Erfolg nicht auf Klamauk, sondern auf gediegener Qualität beruhte.
Auch kulinarisch betrachtet war ja die Erfindungsgabe des Genies aus Pesaro nicht zu verachten: Seine Rezepte sind Basis unzähliger Neukreationen. Für das Essen gilt ebenso wie für alle – auch alle Wiener – Opernhäuser: Man kann nie genug Rossini haben.