Salzburg

Wozu denn Festspiele?

Salzburg. Wer über die Festspiele redet, redet über Geld. Die Gründerväter dachten an Europa.

Festspiele in Salzburg – aus dem Österreich-Image, das weltweit verbreitet wird, ist die sommerliche musikalisch- theatralische Veranstaltungsakkumulation nicht mehr wegzudenken. Zahlenspiele rund um die Frage, wie viel diese Festspiele kosten, enden regelmäßig mit dem Verweis auf die sogenannte Umwegrentabilität. Wie sähe, so lautet die rhetorische Frage, die Fremdenverkehrsbilanz der Stadt Salzburg aus, wenn es die Festspiele nicht gäbe?

Es kämen genauso viele Touristen. Nur weit weniger zahlungskräftige Klientel. Das bestreiten selbst Festspielskeptiker nicht. Der amtierende Intendant hat die Rechenexempel um eine staunenswerte Facette bereichert. Die Festspiele spülen, so Alexander Pereira, mittels Steuerleistungen (in klusive Krankenkassenbeiträgen) dreimal so viel Geld in die Staatskassen zurück, wie sie via Kultursubventionen erhalten.

Das bedient eine sehr heutige Denkungsart. Daß seit geraumer Zeit kaum mit anderen Argumenten über Sinn und Zweck der Festspiele gesprochen worden ist, scheint allerhand über die Befindlichkeit dieses Landes zu verraten. Doch spöttelte schon Karl Kraus angesichts des ,,Jedermann"-Spektakels: ,,Ehre sei Gott in der Höhe der Preise."

Wem nützt eine Opernpremiere?

Auf der Suche nach der Festspielidee der Gründerväter stellt sich die Frage, ob Opernpremieren noch zu etwas anderem gut sein könnten, als durch Aufwendung eminenter Summen noch eminentere wieder einzuspielen – ob die Kunst auch in Zeiten wie diesen mehr als dekorative und lukrative Funktion haben sollte.

Wer die Dokumente liest, die ,,Jedermann"-Dichter Hugo von Hofmannsthal zum Thema Salzburg verfasst hat, der gewinnt den Eindruck, daß die Künstlergruppe um den Komponisten Richard Strauss und den Wiener Regisseur Max Reinhardt von der Überzeugung durchdrungen gewesen ist, durch ein Theater auf höchstem Niveau einigende Kräfte von eminenter Wirkung entfesseln zu können.

In seinem Manifest, Anfang der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts, spricht Hofmannsthal ausdrücklich davon, daß ,,die Menschen jetzt", in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, ,,nach geistigen Freuden verlangen". Er spricht auch das Wort ,,Europäismus" aus, eine Tugend, die er in der Beethoven-Ära vorzufinden meint und die es wieder zu beleben gelte. Von einer Europäischen Union war damals noch keine Rede. In Zeiten der offenbaren Sinnkrise dieser Union können jene ursprünglichen Festspiel gedanken die Kosten-Nutzen-Rechnung vielleicht über das Finanzielle hinaus anreichern.

Festspiele sollten demnach versuchen, die besten künstlerischen Kräfte Europas zu bündeln. Und zwar an einem Ort, den Hofmannsthal poetisch als ,,das Herz vom Herzen Europas" bezeichnet, ,,halbwegs zwischen der Schweiz und den slawischen Ländern, halbwegs zwischen dem nördlichen Deutschland und dem lombardischen Italien". Das Urbild aller europäischen Festivals, die Bayreuther Festspiele, gaben die Inspiration zu unzähligen weiteren Versuchen. Nur Salzburg hat es verstanden, sich neben dem ausschließlich auf Richard Wagners Werk konzentrierten deutschen Phänomen den Nimbus des Außerordentlichen zu sichern und zu bewahren.

Europäische Perspektiven

Hofmannsthals Grundgedanke, der jährlichen V ergötterung des Theatergenies des 19. Jahrhunderts einen modernen Kunsttempel von europäischem Format entgegenzusetzen, ging von der Überzeugung aus, nicht Strukturmaßnahmen wie ,,tausende Kilometer neuer Eisenbahntrassen" brächten die Menschen einander näher. Vielmehr sollten ,,die Nationen einander in ihrem Höchsten erkennen, nicht in ihrem Trivialsten", fordert der Dichter.

Mag Bayreuth – und heuer erstaunlicherweise auch Salzburg – ,,Ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister" singen, so ist das im Sinne von Hofmannsthals ,,Erkenntnis"-Theorie als Auftrag an eine zivilisatorisch an ihre Grenzen gelangende Gesellschaft zu verstehen, durch die Kunst den Wurzeln ihrer Zivilisation nachzuspüren: der europäischen Kultur.