Sommer in Wien

Nach dem 30. Juni verfällt Wiens Musikleben alljährlich in Ödnis. Das wäre leicht zu ändern – auch mit Geld der Stadt Wien.

Einen Teil des Festwochen-Budgets für den Sommer!

Die Wiener Festwochen wer den sich demnächst neu orientieren. Das ist hoch an der Zeit, denn in den vergangenen Jahren wurde das Festival Schritt für Schritt zu einem Sammelsurium von Gastspielen, die für den Normalverbraucher eher nach einer Session für Eingeweihte als nach einer wirklichen Bereicherung des Wiener Kulturlebens aussah.

Von Musik war in den vergangenen Jahren in der ,,Musikstadt" Wien kaum die Rede. Jedenfalls nicht, wenn es um das Festwochen- Programm ging. Zwar beschäftigte man einen hoch dotierten Musikmanager, doch blieben dessen wahrnehmbare Leistungen enden wollend. Die schwächlichen Eigenproduktionen, die man zeigte, wenn man überhaupt welche zustande brachte, können jedenfalls nicht als Bereicherung empfunden werden.

Die Intendanten von Musikverein (in geraden Jahren) und Konzerthaus (in ungeraden) planten unter dem Festwochen- Rubrum zwar luxuriöse Konzerte – doch diese werden seit Jahr und Tag zur sinnigen Fortsetzung der Saison und haben mit der Festwochen- Planung im engeren Sinn nichts zu tun.

Warum mir das jetzt gerade einfällt? Weil soeben eine DVD erschienen ist, die dokumentiert, wie in den Sechzigerjahren Festwochen gefeiert wurden: Die Musikstadt Wien erlebte die Erstaufführung von Alban Bergs ,,Lulu" in exzellenter Besetzung – mit Evelyn Lear, Paul Schöffler, unter Karl Böhms Leitung, mit dem Orchester der Stadt, den Symphonikern, im Theater an der Wien. Festwochen-Eigenproduktionen auf solchem Niveau sucht man seit Langem vergeblich – Ausnahmen wie die Inszenierung von Janaceks ,,Totenhaus" durch Patrice Chéreau unter Pierre Boulez' Leitung bestätigten die Regel. Im Übrigen herrscht, wenn überhaupt etwas geschieht, der Hang zum musikalischen Mittelmaß, das von jeder Repertoireaufführung der Staatsoper locker deklassiert wird.

Es gibt noch einen Grund, über die Ödnis zu grübeln, in die das Musikleben dieser Stadt nach dem 30. Juni immer wieder verfällt. Eine einsame Opernproduktion an der Wien als Ersatz für 60 Tage musikalischen V ollbetriebs? Eine verantwortungsvolle städtische Kulturpolitik würde längst darüber nachdenken, ob Wien nicht eine kräftige sommerliche Vitaminspritze bräuchte – ob die Subventionen für die Festwochen, die während des Hochbetriebs im Kulturjahr stattfinden, nicht im Juli und August sinnvoller zu ,,verbraten" wären. Derzeit speist die Musikmetropole Kulturtouristen im Sommer mit Auftritten von unbedeutenden Orchestern ab. Und niemand scheint sich dafür zu genieren . . .