Startheater

Es gibt Wochen, da kommt der Musikfreund aus der Oper gar nicht mehr heraus. Er will überall dabei sein. Sogar die Münchner reisen an! Und haben allen Grund dazu.

Alle Opernzugvögel sind schon da. Alle Vöglein, alle. Das wirkt!

Man kann sagen, was man will über den wienerischen Musikbetrieb, aber in jüngster Zeit darf festgestellt werden, daß die Oper ihre Stellung als Primus inter pares aufs Schönste behauptet. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, in den vergangenen Jahren einen so starken Staatsopern-Monat wie den April erlebt zu haben.

Trotz krankheitsbedingten Umbesetzungsproblemen hat man mit ,,Parsifal" und dem fünfaktigen ,,Don Carlos" meisterliche Repertoire-Pflege bewiesen, mit ,,Wozzeck" gezeigt, wie mit einem Gipfelwerk des 20. Jahrhunderts ganz selbstverständlich umgegangen werden kann. Hinzu kommen Starparaden wie die laufende Serie von ,,Eugen Onegin" mit Dmitri Hvorostovsky und Anna Netrebko, der soeben ein nicht minder packender ,,Werther" mit Elina Garanca und Roberto Alagna an die Seite gesetzt worden ist – es gibt nicht viele Opernhäuser auf der Welt, die das auf diesem Niveau können.

Das hat auch damit zu tun, daß unser Orchester unter Dirigenten wie Andris Nelsons, Bertrand de Billy oder dem amtierenden Generalmusikdirektor zur Hochform aufläuft – das hierzulande quasi genetisch bedingte Hören auf die Sänger verschmilzt mit der spürbaren Lust, die jeweils eigenen interpretatorischen Wünsche der amtierenden Maestri sensibel umzusetzen. Die Wirkung kann – de Billys hochexpressives Massenet-Dirigat bewies es (nach dem vergleichbar intensiven ,,Don Carlos") aufs Neue – atemberaubend sein.

Allerdings nur dann, wenn die Sängerbesetzung stimmt. Die Bühnenpräsenz zweier Spitzendarsteller wie Garanca und Alagna, die wir im Mai dann ja auch in ,,Carmen" erleben dürfen, garantiert dafür. Und daß die kleineren Partien in den laufenden Serien fast durchwegs liebevoll besetzt sind – denken wir nur an Daniela Fallys Sophie im ,,Werther" – sichert das Terrain.

Es ist bezeichnend, daß ein höchst kritischer Freund aus München, der das Opernleben in seiner Heimatstadt genauso mit Argusaugen und gespitzten Ohren verfolgt wie jenes bei uns, angesichts der Spielpläne, die weltweit von den großen Häusern für die kommende Saison vorgelegt worden sind, meint: Ein Dauerbahnticket zwischen Wien und der bayerischen Metropole reiche 2013/14 sicher aus, um beinah sämtliche Musiktheatergelüste eines eingefleischten Opernfreundes zu befriedigen.

Wenn sich die Volksoper nun um Lortzing bemüht, dann ist sie auf dem rechten Weg, das Wiener Repertoire adäquat zu ergänzen. Egal, wie das Wagnis ausgeht – es lässt sich bei Premieren nie im Vorhinein abschätzen -, man weiß dann, wozu das Haus da ist.

Auch das Theater an der Wien erfüllt im Moment seine Funktion aufs Beste. Mit der Präsentation einer hierzulande kaum bekannten Shakes peare-Vertonung aus der Feder von Hector Berlioz leistet es seinen Beitrag zur nötigen Vielfalt. Sogar die Festwochen tragen mit ihrem im Übrigen entbehrlichen Verdi-Zyklus heuer zur Bereicherung bei.

Nach Verdoppelungen von ,,Traviata" und ,,Rigoletto" gibt es heuer ab 26. Mai den ,,Troubadour" – und den hat sich die Staatsoper durch eine unspielbare Inszenierung vor Jahren selbst aus dem Spielplan geschossen. Was Regie- Untaten betrifft, ist zur Zeit ja gottlob vorsichtige Entwarnung gegeben . . .