Stephen Goulds Otello-Debüt

Wie Siegfried auf Zypern in die Falle des Dämons tappt

Staatsoper: Stephen Gould feierte sein Wien-Debüt als Otello.

30. Jänner 2020

Wenn Stephen Gould in der neuen Wiener "Otello"-Inszenierung Adrian Nobles erscheint, politisch korrekt ohne schwarze Schminke, dann ist es wirklich, als ob ein Wagner-Heros ein Verdi-Gastspiel absolvierte. Dabei hat natürlich just in diesem Werk die Landnahme der Heldentenöre Tradition. Man weiß, Verdi selbst träumte stets von Interpreten mit eminenten lyrischen Qualitäten; aber schon zu seinen Lebzeiten fand sich kaum ein Tenor, der angesichts der Ansprüche an Kraft und Tessitura diesem Ideal nahegekommen wäre. Die Italiener ziehen den Komponisten nicht zuletzt deshalb des Wagnerismus.

Ungerecht, das alles. Man weiß es. Und man hat längst akzeptiert, dass auch die Spitzen des deutschen Fachs hier "Esultate!" rufen - Gould tut es mit einem Impetus, der alle stilistischen Bedenken sogleich hinwegfegt. Er sichert dem Otello in der Folge auch eindrucksvolle Momente der Introspektion, gipfelnd im Monolog im dritten Akt, den er herzzerreißend ausdrucksstark deklamiert. Die (seelen)stürmischen Ballungen, vor allem in den Dialogen mit Jago, geraten nicht minder beeindruckend und werden zu theatralischen Ereignissen, weil Carlos Alvarez als teuflischer Gegenspieler nicht nur zynisch-hintergründig spielt, sondern auch stimmlich seinem Vis-a-vis mühelos trotzt.

Menschlicher Kern im Engelsgesang

Überdies gelingen ihm - namentlich im Trinklied - elegante Phrasierungskunststücke. So steht der Bariton bis zuletzt unüberwindlich sicher zwischen Goulds Stentorkraft und der bewundernswerten Schmiegsamkeit, mit der Jinxu Xiahou den Cassio gestaltet. Bemerkenswert, zu welch mutiger Intervention sich zuletzt Bongiwe Nakanis Emilia gegenüber diesem satanischen Beherrscher der Szene durchzuringen versteht.

Die wunderbare Krassimira Stoyanova dazu, eine eindringliche Desdemona, deren flehentliche Gebete nirgendwo ins Süßlich-Melodramatische kippen: Hier herrscht expressive Melancholie; und die schwebenden Pianissimi im "Lied von der Weide" und dem "Ave Maria" behalten bei aller Engelhaftigkeit des Gesangs einen herb-menschlichen Kern.

Aufhorchen ließ auch der Dirigent Jonathan Darlington, der, von einigen metrischen Interferenzen zwischen Orchester und Chor abgesehen, ins wütende Geschehen gestaltend auch einige differenzierende Details zu mischen wusste.