Tschaikowskys "Pique Dame"

Allzujung hat der russische Bariton Dmitri Hvorostovsky die Opernbühne verlassen müssen. Er starb im Spätherbst 2017 in London nach langer Krankheit. Seine herrlich strömende Bariton-Stimme hat die Musikfreunde bezaubert, seit er 1989 – vor dem Favoriten Bryn Terfel (!) – den ersten Platz beim renommierten Cardiff-Wettbewerb belegte.
Im Dezember dieses für Hvorostovsky so wichtigen Jahres sang er in Moskau in einer konzertanten Aufführung von Tschaikowskys „Pique Dame“ den Fürsten Jeletzky. Ein Livemitschnitt dieses Abends, der in der internationalen Opernwelt sogleich legendär wurde, war nur kurzfristig im Handel, denn ein Exklusivvertrag band den jungen Sänger damals sogleich exklusiv an eine Plattenfirma.
Jetzt endlich durfte Melodia die Aufnahme regulär in den Handel bringen. Und das schließt eine Lücke in der Tschaikowsky-Diskographie, denn eine geschlossenere, dichtere Wiedergabe dieses hochdramatisch, aber formal zerklüfteten Werks gibt es nicht.
Nun kann der Musikfreund also nachvollziehen, was die Musikfreunde an Hvorostovskys Kunst so faszinierte: Elegante, geschmeidige Phrasierungskunst, eine bis in die Höhe klangvoll und sicher entwickelte Stimme; und vor allem eine Gestaltungskunst, die in der großen Arie zum Ereignis wird: Aus lyrisch strömendem Beginn, mündend in ein sanft-gehauchtes Finale steigert sich das Singen zu einer hingebungsvollen Liebeserklärung an die angebetete Lisa.
Weniger spektakulär, doch solid die übrige Besetzung. Der Hermann von Vitali Taraschtschenko kommt in den dramatischen Szenen an seine Grenzen, muss sie aber nicht überschreiten. Er ist eine rollendeckende, wenn auch nicht weltbewegend stimmschöne Besetzung; wie die Lisa von Natalja Datsko, die mit herb timbriertem, aber schlank geführtem Sopran auch über die eminenten Hürden des Ariosos und des Duetts im vorletzten Bild kommt.
Neben Hvorostovsky besteht der vergleichsweise dunkel timbrierte Bariton-Kollege Grigorij Gritsjuk glänzend, der Graf Tomskis Ballade von den „drei Karten“ ausdrucksvoll und mit der nötigen Suggestion singt, die das so recht Drama in Gang setzt.
Über allem waltet der Dirigentenstab Wladimir Fedosejews, der mit seinem (damals noch nicht nach dem Komponisten benannten) Moskauer Rundfunkorchester eine Tschaikowsky-Interpretation von leidenschaftlicher dramatischer Verdichtung bei gleichzeitiger Klangschönheit bietet, wie sie keine andere „Pique Dame“-Aufnahme hören lässt. Nicht nur als Souvenir eines großen Sängers also unverzichtbar im Sammlerregal; nicht zuletzt, weil die große Irina Archipova damals noch einmal ein Kurzgastspiel als Gräfin gab!


(Melodia 10 02 549)







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