Wagner-Jubiläum

Ein Meister hat Geburtstag – gratulieren oder nicht ?

Viele Opernhäuser bitten zum Jubiläumsfest – manche bieten dem Publikum die Wagner-freie Zone.

Ganz drum herum kommt keiner. Aber die Aktivitäten zur kultischen Verehrung sind von höchst unterschiedlicher Intensität. Die Wiener Staatsoper, die traditionsgemäß sehr viel Wagner spielt, lässt sich im Jahr des 200. Geburtstags nicht lumpen und feiert den Bayreuther ebenso wie den gleichaltrigen Mailänder Titan (und Antipoden) Verdi mit etlichen, teils glänzend besetzten Repertoireaufführungen. Außerdem avisiert das Haus am Ring in den kommenden Wochen nebst einer Neuinszenierung von ,,Tristan und Isolde" durch David McVicar (mit Nina Stemme und Peter Seiffert) auch einen kompletten ,,Ring des Nibelungen", beide Produktionen dirigiert Franz Welser-Möst. Die Daten: ,,Rheingold": 12. Mai, ,,Walküre" 15. Mai (und Einzelvorstellungen unter Peter Schneider am 16. und 23. Juni), ,,Siegfried" am 19. Mai und ,,Götterdämmerung" am 22. Mai.

Der neue ,,Tristan" hat am 13. Juni Premiere und wird noch am 18., 22., 26. und 30. Juni gezeigt, sowie am Beginn der kommenden Spielzeit wieder ins Programm genommen.

Hochspannung in Bayreuth. Die Musikwelt blickt im Jubiläumsjahr selbstverständlich gespannt nach Bayreuth, wo nach der Wiederaufnahme der vorjährigen Produktion des ,,Fliegenden Holländers" unter Christian Thielemann ein neuer ,,Ring" unter Kirill Petrenko Premiere hat, den Frank Castorf inszenieren wird (ab 26. Juli).

Für alle, die im notorisch ausverkauften Bayreuth keine Karten bekommen haben, gibt es immerhin Radio- Liveübertragungen im Bayerischen Rundfunk.
Auch die Salzburger Festspiele machen heuer wieder einmal eine Ausnahme und brechen das stillschweigende Abkommen mit Bayreuth aus Anlaß der Geburtstagsfeiern. Man zeigt zum ersten Mal seit den Dreißigerjahren im Sommer szenisch ,,Die Meistersinger von Nürnberg".

Damals wie heute stand ein Italiener am Dirigentenpult: Daniele Gatti steigt in die Fußstapfen des großen Arturo Toscanini, der übrigens für diese Aufgabe nur deshalb frei wurde, weil er Bayreuth nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten den Rücken kehrte.

Außerdem gibt es in Salzburg heuer einen konzertanten ,,Rienzi" unter Philippe Jordan und einen ersten ,,Walküren"-Akt unter Lorin Maazel. Komplette Serien des ,,Rings des Nibelungen" zeigt man auch – und unter bemerkenswerter Durchbrechung des in Italien an sich sakrosankten Stagionesystems – an der Mailänder Scala. Daniel Barenboim dirigiert die Neuproduktion von Guy Cassiers (17. bis 22. bzw. 24. bis 29. Juni). Premiere der ,,Götterdämmerung" ist am 18. Mai mit Ian Storey als Siegfried und Irène Théorin als Brünnhilde. In Berlin bietet man an der Deutschen Oper erst Anfang 2014 wieder Wagner: Simon Rattle dirigiert den kompletten ,,Ring" in der altbewährten Inszenierung Götz Friedrichs.

Bemerkenswert ist der Spielplan von New Yorks Metropolitan Opera, wo Fabio Luisi eben zwei ,,Ring"-Zyklen dirigiert hat – bis Juni 2014 stellt der Met-Kalender nun eine Wagner-freie Zone dar. Vergleichsweise enthaltsam bleibt auch Londons Covent Garden Opera, die bis Jahresende 2013 nur noch ,,Parsifal" unter dem Hausherren Antonio Pappano mit Simon O'Neill und Angela Denoke zeigt (ab 30. November).

Die ewige Nummer vier. An der seit Langem statistisch unveränderten Reihung der meistgespielten Komponisten im weltweiten Opernzirkus ändert auch solche Reduktion nichts. Wagner hält hinter Verdi, Mozart und Puccini – wenn auch mit deutlichem Abstand hinter dieser Trias – seit Jahren Platz vier. Erstaunlicherweise beschränkt sich kommende Saison auch die Wagner-Stadt München bis zum Juli 2014 im Repertoire auf den ,,Fliegenden Holländer", hat aber zum Abschied des scheidenden Generalmusikdirektors, Kent Nagano, ,,Ring" und ,,Parsifal" während der Opernfestspiele im Juli angesetzt. Das ermöglicht dem Publikum jedenfalls aparte Vergleiche, denn Naganos Nachfolger ist Bayreuths ,,Ring"-Dirigent Petrenko . . .