Kinderoper

Die wichtigste Erfahrung wäre doch die, daß Oper kein Zirkus ist, sondern ihr eigenes großes Geheimnis hat. Man kann es nicht früh genug erahnen.

Fein, daß Kinder jetzt in die ,,richtige Oper" dürfen

Erstmals spielt die Staatsoper ein eigens für die Jugend komponiertes Stück dort, wo auch Tosca, Don Giovanni und Tristan leben und leiden.

Kinderoper? Das ist eine eigene Gattung geworden, mit der pädagogisch geschulte Musiker viel Aufsehen machen können. Auf dem Dach der Staatsoper hat man zum Zwecke der musiktheatralischen Früherziehung sogar ein Zelt postiert, in dem eine Art Arienzirkus für die Kleinsten zu Hause ist.

Das hat über Jahre hin vielen sehr jungen Besuchern und deren Begleitern Freude gemacht und dazu geführt, daß manch einer der präsumtiven Opernbesucher enttäuscht sein wird, wenn er draufkommt, daß Oper eben kein Zirkus und schon gar nicht das Zelt identisch mit der Staatsoper ist. Ein wenig am Ziel vorbei produziert man wohl auf diese Weise. Mit der ,,echten Oper" haben die eigens für Kinder in einem eigens dafür hergestellten Spielort produzierten Stücke wenig zu tun. Es ist ein wichtiger Schritt, die Kinder von der Gesangsmanage, einem gut gemeinten Ersatzquartier, ins echte Logenrund zu lotsen, wo allabendlich das Licht ausgeht und aus dem dämmrigen Orchestergraben die ersten Ouvertürenklänge ertönen, auf daß das wirkliche Bühnenleben beginne.

Auf dieses Urerlebnis bereitet keine Kinderoper der Welt einen jungen Hörer vor. Das mystische Dunkel eines klassischen Theaterauditoriums nach dem Erlöschen der Lichter im Gefolge des dritten Klingelzeichens – das sind Initiationsriten, die konstitutiv zum Geheimnis des Theaters gehören.

Gut, daß das nun von Anbeginn möglich ist, gut auch, daß eine Oper aus der Feder eines Musiktheaterprofis gegeben wird, der bewiesen hat, daß er auch Stücke für Erwachsene schreiben kann, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Repertoiretauglichkeit erwiesen haben.

Außer Hans Werner Henze können das nicht viele Komponisten seiner und der nachfolgenden Generation von ihren Werken behaupten. Einer der Antipoden des findigen Deutschen aus dem wienerischen Myzel, Alfred Uhl, beschreibt in seinen Erinnerungen das erste, kindliche Opernerlebnis. Man nahm ihn in ,,Tosca" mit – und es war, weiß Gott, nicht die brutale Rauberschg'schicht Sardous, die den Halbwüchsigen damals gefesselt hat, sondern der rauschhafte Eindruck des philharmonischen Orchesterklangs, der großen Singstimmen.

Deren Gewalt kann man auf keiner CD, durch keinen TV- Lautsprecher der Welt erahnen. Es ist eine Impression, die nur unvermittelt ihre Wirkung entfaltet – und die dann jeden halbwegs sensiblen Geist süchtig macht.

Aus Alfred Uhl ist kein bedeutender Opernkomponist geworden, aber einer der besten Kompositionslehrer, die dieses Land je gehabt hat. Und vor allem ein begeisterter Musikfreund fürs ganze Leben. Darum geht es. Die züchtet man nicht in Zelten