Regietheater

Intendanten, die Inszenierungen absetzen, sollten sich selbst absetzen

Das Frankfurter Opernhaus wurde eben preisgekrönt – in Düsseldorf sieht es noch ganz anders aus, da herrschen die wahrhaft ,,deutschen", selbst verschuldeten Verhältnisse.

Viel tiefer geht es nicht mehr. Jetzt wurde erstmals eine Opernproduktion aus dem Spielplan genommen, weil mehrere Menschen aus dem Publikum nach dem Besuch einer Vorstellung den Notarzt in Anspruch nehmen mussten. Düsseldorfer Musikfreunde haben nervlich nicht verkraftet, was ihnen unter dem Titel ,,Tannhäuser" vorgesetzt wurde.

Dabei sollte man meinen, daß deutsche Opernbesucher dank der kräftigen Schützenhilfe wohl präpariert sein sollten, die provokante Regisseure von den einheimischen Musikkritikern erhalten. Von ,,Musik"-Kritikern, die ja längst nicht mehr über Musik, sondern mehrheitlich nur noch über Regiekonzepte und vor allem die darin enthaltene Political Correctness referieren.

Doch was zu viel ist, ist dann offenbar doch zu viel. Daß mitten in der Venusbergszene plötzlich die Musik unterbrochen wird und zehn Minuten lang eine Hinrichtung von Gefangenen durch SS-Männer gezeigt wird, führte jetzt dazu, daß die Direktion des Hauses die Produktion abgesetzt hat und ,,Tannhäuser" nur noch konzertant darbieten lässt.

Wer jetzt über die kluge Entscheidung jubiliert, sollte einen Schritt zurücktreten und nachfragen, warum dieselbe Direktion diesen Schwachsinn überhaupt zur Premiere zugelassen hat.
Doch werden Intendanten in Deutschland so wenig in die Pflicht genommen, wie Regisseure darauf hingewiesen werden, daß sie in Wahrheit nichts anderes zu tun hätten, als Stücke zu inszenieren; das heißt: das auf die Bühne zu bringen, was Komponist und Librettist ihrem Publikum zu erzählen wünschten.

Das soll ja durchaus mit zeitgemäßen Mitteln erfolgen, aber jedenfalls nicht unter Hinzufügung von Dingen, die überhaupt nichts mit der Handlung zu tun haben. Das ist im Prinzip eine simple Feststellung, wird aber seit Jahr und Tag – vor allem im deutschen Sprachraum – nicht beachtet.

Wir dürfen also davon ausgehen, daß der Düsseldorfer Intendant aufgrund seiner glorreichen Leistungen demnächst einen wunderbaren Job in einem größeren Haus bekommt, daß er den vorgeblichen ,,Tannhäuser"- in Wahrheit Selbst-Inszenierer, weil PR-Erfolg versprechend – gleich in sein neues Domizil mitnehmen und auch dort höchst wohlwollende Rezensenten vorfinden wird.

Zu mehr und anderem taugt die in jeder Hinsicht schlecht inszenierte Düsseldorfer Chose nicht. Es grenzt an ein Wunder, daß bei dem jüngst initiierten neuen Opernpreis, den ein privater Sponsor im Verein mit dem ,,Opera Magazine" ins Leben gerufen hat, die Frankfurter Oper zum ,,besten Opernhaus" gekürt wurde, wo Bernd Loebe einen für deutsche Verhältnisse geradezu widerborstigen, nämlich vorrangig an musikalischer Aufbauarbeit orientierten Kurs fährt – und aus einem in oben geschilderter Manier leergespielten Haus wieder ein florierendes Unternehmen gemacht hat. Publikumszuspruch? Unsere deutschen Kollegen hat der noch nie interessiert. Da müssen schon Leute krank werden vor Ärger, daß der eine oder andere nachzudenken beginnt. Wie gerade eben in Düsseldorf . . .